Was wir verlieren

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Der Tag der Lieferung kam schneller als erwartet. Am 56. Grüne Beine wurde Gavín gerufen, nachdem er noch zwei gewöhnliche Botengänge als Grauer Bote unternommen hatte.

Niemand hielt ihn auf, niemand griff ihn an. Entweder war die Warnung mit den Toten drastisch genug gewesen (wer auch immer dafür verantwortlich gewesen war) oder die geflüsterten Worte der Silberfische zeigten schneller Wirkung als angenommen.

Oder sogar etwas, was keiner voraussehen konnte.

Was auch immer es war, Gavín bekam davon nicht viel mit. Es kümmerte ihn insoweit, dass er sich mit mehr Pülverchen ausstattete, die er an seinen Gürtel hängte. Für einige sah er wie ein Druide aus, für andere wie eine laufende Waffenkammer. Die Wahrheit lag irgendwo dazwischen. Und bisher hatte er nicht einmal seinen Dolch benutzen müssen, dennoch hielt er ihn mit einem Wetzstein und Abziehleder schön scharf. Er konnte sich sogar damit rasieren und dankte Trogh, dass er es ihm beigebracht hatte.

Dass Methellona gefährlich war, hatte er im Voraus gewusst. Dass es ihn direkt traf, hatte er erwartet, aber er hatte die Auswirkungen dessen nicht wirklich bedacht.

Den Rubinsplitter hatte er nun auch einlösen können, was ihm drei Gold- und vier Silberdeut einbrachte. Der Splitter war nicht groß, aber dafür sehr rein, daher viel wert. Das waren nun fast zehn Golddeut und damit war er wieder ein gutes Stück näher an sein Ziel gekommen. In seiner Aufzählung vergaß er die Kupferjot, da diese sehr viel Kleingeld ausmachten, bevor sie ein Kupferdeut wurden.

"Der übliche Weg?", fragte Gavín überflüssigerweise, als sie das Boot ausluden, die Kisten öffneten und die Inhalte entsprechend ihres Bestimmungsortes sortierten.

"Hm-hm.", brummte Serval, der die Liste durchging und sich Notizen machte. "Das müsste der Teller sein." Mit einem Stemmeisen hebelten sie den genagelten Decke auf und fanden den Bildnisteller von Lanialellara darin, bis knapp unter die Brust gemalt, ihre schwarzen Flügel am Rande des Tellers und leicht bekleidet.

"Ist sie wirklich so herumgelaufen?"

"Keine Ahnung. Ich hoffe es fast, sie ist wirklich eine Schönheit."

Gavín verzog das Gesicht. Er war derselben Meinung, dass die Engelsfrau eine Schönheit war, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen - oder wollte es nicht - dass sie sich wirklich so gekleidet hatte.

Gut, seine Freundin lief auch häufiger in Kleidung herum, die man nur mit einem Hauch von Nichts beschreiben konnte. Nur war sie nicht die Herrscherin eines Landes, was doch einen Unterschied machte, Angestellte in einem Freudenhaus hin oder her.

"Und das müsste der Dolch sein.", murmelte Sevral, die Kiste wurde aufgestemmt und der schmale Dolch, der wie poliertes Silber in der Abenddämmerung glänzte, kam zum Vorschein. Dem Druidenschüler unbekannte Runen zierten die Klinge auf beiden Seiten und das Heft, die Parierstange war leicht nach unten gebogen und besaß Sapphire an beiden Enden. Ein polierter Onyx saß direkt in der Mitte der Stange und schien von innen heraus zu leuchten. Es konnte aber auch Einbildung sein, ein Trug durch die Sonne.

"Sollen wir den Teller wieder ins Haus liefern lassen?" Sevral schaute Gavín fragend über sein Klemmbrett an, welcher nur nickte. "Gut, machen wir. Morgen früh hast du ihn. Bezahlung wie immer?"

"Sicher doch."

"Gut. Das ist alles sehr viel lukrativer als angenommen."

"Ehrlich?"

"Etwas."

"Hm. Sag mal, wann ist denn eigentlich diese Jahresabrechnung?"

"Uh... was haben wir jetzt? Grüne Beine?" Sevral tippte sich mit der Feder ans Kinn. "Meistens so um den Vierzigsten von Weißer Schweif herum. Warum fragst du?"

"Nur neugierig. Ich weiß nur, dass es im Vertrag stand, aber es stand kein Datum dabei."

"Verstehe. Das Problem ist, dass wir alle Bestellungen, Lieferungen, Einträge, Abrechnungen, Kosten, Aufwendungen und Einkünfte erneut durchgehen müssen, was schon so ein bis zwei Wochen dauert. - Ja, guck nicht so, was hast du erwartet?", lachte der Mann, klopfte ihm auf die Schulter. "Vierhundertachtzig Tage sind eine lange Zeit, auch, wenn es dir nicht so vorkommen mag. Jedes Kupferjot müssen wir verfolgen und daran errechnen wir unseren Gewinn."

"Und wie viel ist das so im Durchschnitt?"

"Kommt auf das Jahr an, aber zwischen acht und zwölf Golddeut zusätzlich zur normalen Gewinnausschüttung."

"Warte, was?"

"Ja, auch das haben wir. Insgesamt kommst du meistens auf etwa fünfzehn Golddeut. Hört sich an, als wären wir ein großer Betrieb und keine Bande von Dieben, huh?"

"Hmmm..."

"Schon gut." Sevral spuckte zur Seite aus. "Kam mir auch beim ersten Mal komisch vor. Miral sorgt für die Silberfische auf seine Weise, auch, wenn er sich härter gibt als ein Dunkelzwerg. Und das als Elb..."

"Der sehr gute Ohren hat.", tönte die Stimme des Sonnenelbs vom Tisch.

"Ja, Miral!", rief Sevral zurück, was einige der Silberfische lachen ließ.

Gavín schüttelte den Kopf. Er durfte sich nicht davon ablenken lassen, dass die Silberfische trotz ihrer Art mehr waren als nur Diebe und Schmuggler.

"Wann soll der Dolch geliefert werden?"

"Heute. In etwa zwei Stunden."

"Hu, gut. Ich werde dann noch rasch etwas essen gehen, wenn es nichts ausmacht."

"Gar nicht, die Kiste läuft nicht weg. Hoffe ich jedenfalls."

"Gibt es so etwas? Weglaufende Kisten?"

Serval hob nachdenklich die Augenbrauen. "Es gibt Gerüchte von Wesen, die sich als Kisten oder Truhen tarnen, aber persönlich gesehen habe ich noch nie eine. Ich kenne auch niemanden, der so etwas beobachten konnte."

"Gut zu wissen. Bis später."

"Hm."

Das Abendessen war gut, reichlich, es gab Fischsuppe und Weißbrot dazu. Bekömmlich und Gavín scherzte mit den beiden Elbinnen, bis es Zeit für die Lieferung war. Er bekam noch einen raschen Kuss von Diana und ein paar Sekunden später von Anette. Seltsam, aber irgendwie auch angenehm.

Den Weg die Stufen und Tunnel hinunter kannte er bereits und nahm den Dolch in der gleichen Kiste in Empfang wie er auch gekommen war. Sollte sich das Ratsmitglied damit befassen, wie sie den Dolch am liebsten zu lagern gedachte.

Der übliche Weg bestand aus einer in den Stein gehauenen Treppe mit einem Eisengeländer, welches sich an der Teufelsklaue nach oben entlangwand. Es war rostig, erodiert an einigen Stellen und mit Salz verkrustet, der Wind wehte hier beständig und man musste aufpassen, auf den alten Stufen nicht auszurutschen. Ein Fall würde unweigerlich den Tod durch Ertrinken, den Aufprall auf der Wasseroberfläche oder die steinigen Klippen unter und am Wasser bedeuten. Selbst das gespannte Seil an der Innenseite war nur ein Notbehelf.

Zum Glück kannte Gavín die meisten unsicheren Stufen bereits und hielt sich an der Innenseite der Klippe auf. Der Weg selbst war serpentinenartig angelegt worden, sodass er hin und wieder einen Blick auf den linken Finger erhaschen konnte, wo die Gläubigen ihre Tempelanlagen hatten. Aus der Ferne erkannte er den schmalen Tempel für den Engel, den er selbst mehrere Male besucht hatte. Das Feuer am Ende des Tempels, welches ihre Statue erhellte, brannte lichterloh wie zu jeder Tageszeit und Wetterlage.

Die schwere Eisentür, welche den Blick in das Innere des Turms freigeben würde, war von außen so rostig, dass sie wie getrocknetes Blut ausschaute und nicht mehr dunkelgrau wie üblich. Doch der Eindruck täuschte: der Schließmechanismus war intakt, wurde regelmäßig überprüft und die Angeln waren immer geölt, sodass man sehr leise hinein und wieder hinaus schlüpfen konnte.

Gavín drückte die drei deutgroßen Platten in der Reihenfolge, die man ihm beigebracht und er verinnerlicht hatte, von oben nach unten und wieder zurück: zwei, drei, vier, zwei, eins, vier.

Wer auch immer sich das ausgedacht hatte, war ein kluger Kopf gewesen.

Mit seinem Feuerstein entzündete er die Fackel, die immer im Gang hing und nahm sie mit. Sonst gab es keine Beleuchtung und die Stufen waren teilweise feucht, also besser aufpassen, wohin man trat. Gerade mit so einer wertvollen Fracht wie Gavín sie hatte. Der Eingang war wahrscheinlich irgendwann mal als reine Fluchtmöglichkeit gedacht gewesen, aber jetzt war er eine willkommene Möglichkeit für die Diebe und Schmuggler.

Manchmal verschwanden Sachen auch aus dem Turm und kamen nicht nur hinein.

Innerhalb des Turms brauchte er keine Scheu mehr zu haben oder sich zu verstecken. Er fragte die Empfangsdame - der Turm hatte einen Empfang, wer konnte das glauben? - nach Ratsmitglied Jorah und wurde auf Ebene Vierunddreißig verwiesen, wo er sich weiterfragen konnte. Das war kein Problem für den Druiden. Trotz der elbischen Magie war er sich sicher, dass er mit seinen eigenen Fähigkeiten wenig Probleme haben würde. Ihm war dennoch bewusst, dass Hochmut vor dem Fall kam und so unterschätzte er jahrhundertealte Elben und überschätzte sich selbst nicht. 

Nach der zwanzigsten Treppe legte er eine Pause ein. Seine Beine brannten, sein Atem ging etwas schwerer und er musste etwas trinken. Eine Art Lastenaufzug hätten sie nicht bauen können? Oder etwas magisches? Wozu hatten sie denn diese Fähigkeiten, wenn sie diese nicht benutzten, beim Engel nochmal!

Als er auf der richtigen Ebene angekommen war, machte er erneut Pause, bevor er eine Magierin anhielt und nach Ratsmitglied Thoren fragte.

"Oh, da seid Ihr schon fast richtig.", lächelte sie und deutete den Gang hinunter. "Der letzte Raum auf der rechten Seite. Goldene Einlegearbeiten."

"Goldene Einlegearbeiten...", murmelte Gavín als Wiederholung und nickte. "Habt vielen Dank."

"Gerne!", flötete sie und eilte davon, mehrere Bücher unter den Arm geklemmt, ihre kurzen blonden Haare wippten im Takt ihrer Schritte.

Gavín drehte sich in die angegebene Richtung und fand die Tür recht schnell. Sie war aus weißem Marmor mit den besagten goldenen Einlegearbeiten und war auch die einzige in der Machart. Thoren war wohl etwas... anders als die anderen Turmbewohner. Er klopfte mit dem ebenfalls goldenen Türklopfer, der aussah wie der Stößel eines Mörsers.

Die Tür schwang lautlos ohne einen Antwort nach innen auf. Zögerlich trat Gavín ein und war überrascht, wie hell und aufgeräumt alles war. Im Gegensatz zu Dekan Rogiers Wohnung in der Universität war nahezu alles aus weißem Marmor oder Birkenholz, glänzte wie frisch poliert oder gebohnert und sogar die Schreibfedern in ihren Halterungen auf dem massiven Marmorschreibtisch standen akkurat nebeneinander in die gleiche Richtung ausgerichtet.

"Ratsmitglied Thoren?", fragte er in den Raum, den er nicht ganz überblicken konnte. Hinter ihm schlossen sich lautlos die dicken Marmortüren, nur der Klopfer klimperte außen.

Vorsichtig ging Gavín ein paar Schritte in den Raum hinein, konnte endlich an den weißen Vorhängen, die als Raumtrenner dienten, vorbeischauen und sah Regale aus Birkenholz mit Büchern und Dingen, die er nicht erkennen konnte, in Gläsern stehen wie zur Schau. Vermutlich die private Sammlung der Elbin.

"Hier.", tönte es mit dieser singenden Stimme hinter einem ebenfalls weißen Raumtrenner hervor. Er hörte Kleidung rascheln und die Mondelbin trat hinter dem Trenner hervor. Zu seinem Erstaunen waren ihre schulterlangen Haare nicht dunkel wie bei Shavenna und Nuriel, sondern dunkelblond, ihre Iris vollständig golden und ebenfalls mit diesem goldenen Ring umfasst, was ihre Augen größer wirken ließ als sie eigentlich waren.

Dazu war sie kleiner als Nuriel, was bedeutete, dass sie kaum an sein Kinn heranreichte. Anders als erwartet bei einem Ratsmitglied hatten sie eine deutlich ausgeprägte Rücken- und Armmuskulatur, was auf ausgedehnte Übungen hindeutete oder eine Art Handwerk.

Gavín versuchte nur auf ihren Nasenansatz oder in ihre Augen zu schauen, denn das hellblaue Kleid, was sie als aktuell einen der wenigen Farbkleckse trug, war sehr aufreizend. Wieso geriet eigentlich immer er in diese Situationen?

"Du bist also dieser Druide.", sang die Elbin, legte den Kopf neugierig auf die Seite und musterte ihn. "Größer, als ich erwartet hatte."

Gavín schluckte die anzügliche Bemerkung hinunter und nahm die Kiste in beide Hände. "Geliefert wie bestellt, Ratsmitglied. Ich hoffe, es ist zu Eurer Zufriedenheit."

"Werden wir gleich sehen. Gav, richtig?"

"Gavín."

"Gav...ín. Hu, lange nicht mehr einen Namen aus der Region gehört. - Stell es auf den Schreibtisch, aber vorsichtig." Sie deutete auf das Monster von einem Schreibtisch aus weißem Marmor und Gavín tat ihr den Gefallen. Bevor er seinen Dolch zücken konnte, hatte sie bereits mit einem bereitliegenden Messer mühelos die genagelte Kiste aufgehebelt.

Sie war wirklich stark.

"Oh ja.", summte Thoren, nahm den langen Dolch heraus, fuhr mit dem Finger über den Klingenrücken und prüfte an ihrem Fingernagel die Schärfe. "Oh ja! Sehr scharf." Ihr Blick fand Gavín, der sich vorkam wie eine Maus vor einer Katze. "Gute Arbeit. Sag Miral, dass er seine Bezahlung wie vereinbart bekommt."

"Das wird ihn sicherlich freuen, Ratsmitglied."

"Bist du immer so...steif?" Sie trat um den Schreibtisch herum und Gavín hatte keine andere Wahl, als auf sie herabzuschauen, dabei versuchte er angestrengt an Anette zu denken.

"Nur höflich und professionell, Ratsmitglied.", antwortete er ihr. Sie schmunzelte, ließ den Blick über seine Phiolen und Gläschen wandern, die in den angenähten Schlaufen der Gürtel steckten.

"Das sind also die Waffen, vor denen man mich gewarnt hat?" Sie ließ einen Finger über die Gläser wandern. "Sag, was kannst du damit alles erreichen?"

"Mich und andere verstecken, blenden, vergiften, töten, erstarren lassen..." Er hob eine Schulter. "Wollt Ihr auf etwas bestimmtes hinaus, Ratsmitglied Thoren?"

"Nein, Druide Gavín. Ich war nur neugierig."

"So sagte man mir."

"Tat man das?" Ihre ebenmäßiges Lächeln glich einem Raubtier, als sie nach oben schaute. Sie roch frisch gewaschen und nach etwas anderem, was er nicht identifizieren konnte. "Gut. Ich hörte auch bereits viele Dinge über dich. Und von deinen Eskapaden und deinen Ohren, die Dinge hören, die sie nicht hören sollten."

"Nun, das war weder meine Absicht noch..."

"Mir egal.", hauchte sie. "Es sind nicht meine Geheimnisse und mich betreffen sie nicht. Belieferst du auch abseits der Silberfische?"

"Ich bin vertraglich an sie gebunden, wenn Ihr das meint." Glück gehabt, das war sicheres Gelände.

"Genau das meine ich. Wenn du nicht an sie gebunden wärst..."

"Könnte ich jeden Kunden beliefern, der mich entsprechend bezahlt." Er hob fragend eine Augenbraue, als er ihr in die Augen schaute.

"Hm-hm.", lächelte sie, ihre Zähne schoben sich über ihre Lippen, dann tippte sie ihm an die Brust. "Sehr gut. Falls du dich irgendwann von den Silberfischen lösen solltest, würde ich gerne deine... Dienste in Anspruch nehmen."

Gavín hörte die Pause in dem Satz und sah ihren Blick. Wieso eigentlich immer er?

"Verstanden, Ratsmitglied." Damit verneigte er sich vor ihr. "Wenn Ihr meine Dienste heute nicht mehr benötigt, werde ich Euch nun verlassen."

"Für heute nicht. Aber wir sehen uns bald wieder." Das Lächeln war nicht verschwunden und im Licht der Lampen, nein, Gavín, verschwinde da!

Und das tat er auch, gemessene Schrittes und als sich die Marmortüren hinter ihm schlossen, lehnte er sich an die Wand und atmete tief aus. Er war schweißgebadet unter seiner Robe, sein Herz klopfte erstaunlich schnell und er fühlte sich, als wäre er dreimal um Methellona gerannt.

Was bei Lanialellara war das gewesen?

 

~~

 

"Die gute Nachricht ist, du hast einen weiteren Kunden.", sprach Anette leise, als sie neben ihm in seinen Arm sank. "Aber warum gerade sie?"

"Ich habe keine Ahnung, Liebes.", murmelte er, wischte sich über das Gesicht. "Ich hoffe, ich sehe sie nicht so schnell wieder. Das war furchteinflößend."

"Unfug. Sie war heiß auf dich." Sie gluckste amüsiert. "Du hast wirklich etwas an dir, was die Frauen sich in deine Richtung umdrehen lässt."

"Habe ich das?"

"Diana, ich, Marie, Thoren..."

"Marie auch?"

"Tja nun, was soll ich dir sagen?" Anette strich über seinen Bauch. "Ich bin jedenfalls froh, dass du einfach du bist. Ich versuche unsere Zeit einfach zu genießen, solange sie hält."

Gavín schluckte. "Weißt du, manchmal..."

"A-ah!" Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Egal, was du sagst, du kannst weder mich noch Diana retten und wir wollen es auch gar nicht."

"Das war auch nicht, was ich sagen wollte.", grummelte er und biss ihr sanft in den Finger.

"He!", rief sie aus, richtete sich auf. "Und was wolltest du sagen?"

"Ich weiß, dass ich euch nicht retten kann. Mein angestrebtes Leben ist... nun, nicht sesshaft." Er fuhr sich mit dem Handballen übers Gesicht. "Aber... ich... nun, hatte irgendwie gehofft..."

Anette runzelte die dunkle, glatte Stirn, ihre noch dunkleren Augen irrlichterten. "Warte... willst du mir gerade sagen, dass du dich verliebt hast? Doch nicht etwa in mich, oder?"

"Uhm... nun, eigentlich schon?" Er ließ es wie eine entschuldigende Frage klingen, was Anette dazu brachte, ihn sanft zu küssen.

"Du bist süß, kleiner Druide. Lass uns warten, was die Zukunft bringt." Ihre Hand fand seine Haare, strich sanft hindurch. "Aber wenn du willst, bin ich dein. Aber ich werde weiterhin hier arbeiten."

"Ich würde es gar nicht anders wollen.", raunte er, strich über ihre nackte Wirbelsäule.

Die nächsten Tage vergingen wie immer, der Herbst nahte und Gavín machte sich bereit für die Kälte. Das hieß Kräuter- und Pflanzenvorräte auffüllen, Salben einlagern, seine Schuhe ausbessern, den Mantel flicken, die Robe an einigen Stellen nähen. Einer der Farmer draußen vor der Stadt hatte eine riesige Apfelplantage und fragte Gavín, ob er sich ein paar der Bäume anschauen könne, sie sahen seltsam krank aus.

Der Druidenschüler schaute, musste aber zugeben, dass er nicht so viel von Apfelbäumen verstand wie von anderen Pflanzen. Aber dieses Mal war es einfach, denn es war nur Mehltau, der mit etwas Brennnessel an den betroffenen Stellen wirksam bekämpft werden würde über die Zeit.

Mit ein paar Äpfeln in den Taschen kehrte Gavín am Abend zurück und war guter Dinge, aber irgendetwas stimmte nicht, als er im Haus der Vampire ankam. Einige der Mädchen, darunter Maria, standen tatenlos in einer Traube herum, während Shavenna und und Nuriel sich wispernd berieten.

"Was ist los?", fragte er und erstarrte, als sie ihn alle mit einem seltsamen Blick begrüßten. Traurig, mitleidig. "Was... was geht hier vor?"

"Diana und Anette." Shavenna war wieder die kühle Mondelbin und das zeigte Gavín, dass es ihr ernst war. Und er war nicht das Ziel ihrer Kälte. "Sie sind verschwunden."

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